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M4 Die Bedeutung der Bergarbeitergewerkschaft ZZP für die Arbeiterbewegung Die Position „ruhrpolnischer“ Arbeiter zur deutschen Gewerkschaftsbewegung aus Sicht des US-amerikanischen Historikers Brian McCook: In den 1890er-Jahren führte der massive Zustrom von Polen zu einer Zunahme der ethnischen Spannungen am Arbeitsplatz. Deutsche Gewerkschaftsführer […] bedienten sich einer nationalistisch gefärbten Rhetorik, um die Einstellung polnischer Arbeitskräfte zu beschränken. Wenn Gewerkschafter unter den polnischen Arbeitern für ihre Position warben, taten sie dies auf sehr herablassende Weise. So argumentierten sie etwa, die Polen hätten das „kulturelle Niveau“ des aufgeklärten, klassenbewussten deutschen Arbeiters bei Weitem noch nicht erreicht. Die Spannungen zwischen Deutschen und Polen entluden sich 1899: Anfang des Jahres hatten deutsche Gewerkschaften die Einführung einer Bestimmung befürwortet, die den Nachweis von Deutschkenntnissen als Einstellungsvoraussetzung für polnische Bergarbeiter vorsah. Im Juni des Jahres verweigerten deutsche Arbeitervereinigungen ihre Unterstützung für einen wilden Streik von in der Mehrzahl jungen polnischen Arbeitern in der Stadt Herne. Als Reaktion auf den Streik schrieb eine sozialistische Zeitung, die Polen müssten lernen, dass sie ihre Lage nur dann verbessern könnten, wenn sie sich in der sozialistischen Gewerkschaft organisierten. Den polnischen Arbeitern waren die Ereignisse von 1899 eine wichtige Lektion. Anders als die deutschen Gewerkschaften erhofft und erwartet hatten, schlossen sie sich ihnen allerdings nicht an. Vielmehr besann sich die Mehrheit der Polen auf die eigenen Kräfte und gründete schließlich 1902 die unabhängige polnische Gewerkschaft ZZP („Zjednoczenie Zawodwe Polskie“). Anfänglich wurde die Ideologie der ZZP von ethnischen und konfessionellen Grundsätzen bestimmt, die religiöse Zugeständnisse und politische Aktivitäten, besonders jede Form sozialistischen Engagements, untersagten. Ziel der ZZP war es, polnische Arbeiter aus allen Industriezweigen in ganz Deutschland gewerkschaftlich zu organisieren. Aufgrund ihrer großen Zahl dominierten die polnischen Arbeiter aus dem Ruhrgebiet, und insbesondere die dort ansässigen Bergarbeiter, die Gewerkschaft jedoch bis Anfang der 1920er-Jahre. Innerhalb weniger Jahre verzeichnete die ZZP im Ruhrgebiet große Erfolge. 1905 war sie mit rund 28 000 Mitgliedern bereits die drittgrößte Bergarbeitergewerkschaft. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges stieg die Mitgliederzahl auf etwa 45 000 an. Auch wenn die Mitgliederzahl in Abhängigkeit wirtschaftlicher Konjunkturen schwankte, gelang es der ZZP in beeindruckender Weise, die polnischen Arbeiter gewerkschaftlich zu organisieren: 1910 waren mehr Polen (54 Prozent) als Deutsche (37 Prozent) im Ruhrgebiet gewerkschaftlich organisiert. Das widerlegte ein unter deutschen Gewerkschaftern verbreitetes Klischee, wonach polnische Arbeiter eine geringe Neigung zeigten, sich einer Gewerkschaft anzuschließen. Aufgrund der Stärke ihrer Gewerkschaft kämpften polnische Arbeiter häufi g in vorderster Front für bessere Arbeitsbedingungen. Während des Bergarbeiterstreiks im Januar 1905 i Aufruf an alle Polen in Herne und Umgebung! (Odezwa do Polaków w Herne i okolicy!) Titelblatt der Zeitung „Wiarus Polski“ (Polnischer Veteran) aus Bochum, Ausgabe vom 29. Juni 1899. Aufgrund des Streiks im Kohlebergwerk Herne warnt die Redaktion des „Wiarus Polski“ davor, sich an großen Menschenansammlungen zu beteiligen, da diese zu Unruhen führen könnten. Man soll in Ruhe abwarten, wie der Konfl ikt gelöst werden könnte (Kto nie jest przy pracy, niech zostanie w domu = Wer nicht gerade arbeitet, soll bitte zu Hause bleiben). 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 145Migration am Beispiel des Ruhrgebietes Nu zu P rü fzw ck en Ei ge nt um de s C .C .B uc hn er V er la gs | |
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