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181Freiheit in den Städten – auch für Frauen? M2 Ohne politischen Einfl uss Die Mittelalter-Expertin und Professorin Edith Ennen aus Bonn zieht im Schlussteil einer umfassenden und mehrfach aufgelegten historischen Darstellung über die Stellung und Arbeit von Frauen in Städten ein Fazit: In der mittelalterlichen Stadt war den Frauen keine politische Wirksamkeit beschieden. Die Frauen in der Stadt partizipierten wohl am Bürgerrecht des Mannes, aber sie stiegen hier nicht zur politischen Verantwortung auf – ja sie haben es anscheinend auch gar nicht erstrebt –, das war folgenschwer angesichts der wachsenden Bedeutung der Städte und des Bürgertums. […] Wir konstatieren einen auffallenden Gegensatz weiblichen Engagements des Hochmittelalters: Für die bürgerlichen Freiheitskämpfe interessieren sich die Frauen offensichtlich nicht; erst recht fehlt jeder Beleg für eine weibliche Teilnahme an der Auseinandersetzung mit dem Stadtherrn. An der religiösen Bewegung nehmen sie, obwohl sie vom Weiheamt ebenso ausgeschlossen bleiben wie vom Sitz im städtischen Rat, leidenschaftlich Anteil […]. Es gab zahlenmäßig breite Unterschichten der armen Witwen, der Mägde, deren Lohnniveau stets unter dem der Knechte, das sind vor allem Handwerksgesellen, liegt. Die Handwerksgesellen hatten eine Berufsausbildung, sie schlossen sich zu Gesellenverbünden zusammen und stellten ihre Forderungen auf. Die Mägde wohnten weiterhin im Haus des Arbeitgebers, sie entwickelten keinerlei Solidarität, ihre niedrigen Löhne wurden – sehr unterschiedlich – aufgebessert durch persönliche Zuwendungen vonseiten der Herrschaft. In den Unterschichten sind die Frauen nachweisbar oft überdurchschnittlich hoch vertreten. Als weibliche Randgruppe erwiesen sich die Dirnen. Die kirchlichen Institute reichten nicht immer aus, die bedürftigen Frauen hinreichend zu versorgen und Randgruppen eventuell zu integrieren […]. In manchen mittelalterlichen Städten sind nicht nur alleinstehende Frauen, junge Mädchen, Witwen berufstätig, sondern mitunter auch in beträchtlichem Umfang verheiratete Frauen, und zwar gut verheiratete Frauen von Kaufl euten und sogar Ratsherren. Hier fragt sich, ob diese Frauen ihren Handel, den sie auf eigenen Gewinn und Verlust treiben, ihren selbstständigen Gewerbebetrieb aus ähnlichen Gründen führen, die heute viele verheiratete Frauen zur Berufstätigkeit veranlassen. […] Die Berufstätigkeit der Frau wurde in der spätmittelalterlichen Stadt dadurch erleichtert, dass es infolge der handwerklichen Organisation auch der Exportgewerbe noch keine Trennung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz gab: Die Werkstätte der selbstständigen Handwerkerin lag in ihrem Wohnhaus, ebenso wie das Kontor der Kauffrau. Die Gewerbetätigkeit der Frauen war besonders da gegeben, i „Die Kreuztragung Christi.“ Buchmalerei auf Pergament (ca. 16,5 x 12 cm) aus dem „Livre d’heures d’Étienne Chevalier“ (Stundenbuch des französischen Schatzmeisters Étienne Chevalier) von Jean Fouquet, 1455. p Beschreiben Sie die Abbildung. Welche Rollen werden den Frauen vom Künstler zugeschrieben? 5 10 15 20 25 30 35 40 wo die Stadt in einzelnen Gewerbezweigen für den Export arbeitete und daher viele Arbeitskräfte gebraucht wurden. […] In Köln […] liegt die Seidenverarbeitung ausschließlich in der Hand der beiden Frauenzünfte der Seidmacherinnen und der Seidenspinnerinnen. Aber auch die Kölner Meisterfrauen und Kauffrauen erstreben keinen eigenen Anteil am Stadtregiment, keinen politischen Einfl uss. […] Daher ist in der Neuzeit, vor etwa 1918, die Benachteiligung der Frau im Berufsleben größer gewesen als im Spätmittelalter. Edith Ennen, Frauen im Mittelalter, München 1991, S. 233 241 1. Zeigen Sie anhand von M1 und M2 die Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten in der Einschätzung auf. (Achten Sie im Besonderen auf unterschiedliche Bezugsebenen in den Texten.) 2. Überprüfen Sie die Stellungnahmen M1 und M2 anhand der Informationen im Darstellungstext auf S. 172 f. 3. Freiheit in den Städten – auch für Frauen? Nehmen Sie Stellung. 45 50 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei g nt u d s C .C .B uc hn er V er la gs | |
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