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M1 Aus dem Fluchtbericht eines Hugenotten Der Hugenotte Raoul François de Lautère erinnert sich an folgende Umstände seiner Flucht im Jahre 1685: Da war es am 2. Dezember, da kam der maire [Bürgermeister] von Tours, [...] der war mein sehr lieber guter Freund. Der kam ganz ohne Aten, viel mir um den Hallz unndt weinte sehr. Da war ich gewaltig erschrocken unndt fragte, was das sulle heißen. Was masen er ecrirte [ausrief], mein lieber vreundt, du mußt fl iehen bis ehe der abend kumpt. Sunst mus dich verhaften. Der elennt Veroet hat einen lettre de cachet [Haftbefehl]. [...] Aber ich sagte alles meiner cher Frau unndt weinndte unndt ecriete gantz fürchterlich: ich verlas dich nicht. ich will gehen mit dir. Dann bakkten wir zusammen unndt als die Sone untergang, da fl ohen wir. ich Raoul François de Lautère et mon épouse [Gattin] Claire unndt mon fi ls [Sohn] Raoul et ma fi lle [Tochter] Adelhaide unndt wir weinten alle gar sehr. [...]Dann kamen wir an das Schloß Claireaux. [...] Nachdem wir waren dorten 2 Tage, da kam mein Vetter unndt sagte: Nun mustu fl iehen. dieweilen soldats umherziehen, welche alle Hugenotte vahnen. [...] Als wir etwa 4 heures [Stunden] marschiert, waren da ein troup von gros unndt klein, ald unndtjung Leuten. Unndt alls wir hinkahmen, da waren es eitel Hugenottes, mehr denn 300. [...] Unndt dieLeute becomplimentirten unns gar vrauntlich. Unndt wir gingen weiter, vas abber sehr lentement [langsam] geschah. dender wagen wahren sehr viel. Unndt aufi hnen da gab es auch alteunndt malade Leute und viele kuhe unndt rinder. [...] Was for weitere vervolgungen wir noch ausgestanden habben unndt vor horrible [schreckliche] not offt übber uns hereingebrochen ist, wie nur p. e. [zum Beispiel] in der stat Mercourt ein furieuser [wütender] volkshaufe auf uns schoß unndt mit steinen nach uns warf, also daß 8 Leute unter denen 2 enfants [Kindern] tot daliegen blieben unndt von denen man dits [sagt] ,misérables hontiretet‘ [etwa: Erbärmliche, Schändliche], dann durch die straßen geschleift wurden unndt entlich inden fl us placirt sein worden. „Etliche merveilleuse Nachrichten über mein Leben“, in: Der Deutsche Hugenott 1955, H. 4, S. 116 ff., zitiert nach: Renate Fricke-Finkelnburg, Hugenotten in Hessen-Kassel, in: Geschichte Lernen 27 (1992), S. 41 M2 Das „Potsdamer Edikt“ des Kurfürsten von Brandenburg-Preußen, 1685 Friedrich Wilhelm, der Landesherr von Brandenburg-Preußen, möchte ebenfalls 1685 Flüchtende mit folgenden Regelungen aufnehmen: Wir, Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden usw., tun kund und gegen jedermann hiermit zu wissen: Nachdem die harten Verfolgungen und rigorosen Maßnahmen, mit denen man bisher in dem Königreich Frankreich wider Unsere, der evangelisch-reformierten Religion zugetanen Glaubensgenossen verfahren, […] daß Wir daher aus gerechtem Mitleiden, […] denselben eine sichere und freie Zufl uchtsstätte in allen Unseren Ländern und Provinzen in Gnaden anzubieten. […] Weil Unsere Länder nicht allein mit allen zu des Lebens Unterhalt erforderlichen Notwendigkeiten wohl und reichlich versehen, besonders auch zur Etablierung allerhand Manufakturen, Handels und Wandels zu Wasser und zu Land sehr bequem ist, also stellen Wir denen, die darin sich werden setzen wollen, vor allen Dingen frei, denjenigen Ort, welchen sie in Unserem Herzogtum […] zu ihrer Profession und Lebensart am bequemsten fi nden werden, zu erwählen. […] Sofern in den Städten, Flecken und Dörfern, wo mehr gedachte Leute von der Religion sich niederlassen und ihre Wohnung aufschlagen werden, einige verfallene, wüste und ruinierte Häuser vorhanden sind, deren Besitzer nicht des Vermögens waren, dieselben wieder aufzurichten und in guten baulichen Zustand zu setzen, so wollen Wir dieselben gedachten Unseren französischen Glaubensgenossen für sie, ihre Erben und Erbeserben als Eigentum anweisen. […] Diejenigen, welche einige Manufakturen von Tuch, Stoffen, Hüten oder was sonst ihre Profession mit sich bringt, anzurichten willens sind, wollen Wir nicht allein mit allen desfalls verlangten Freiheiten, Privilegien und Begnadigung versehen, sondern auch dahin bedacht sein und die Anstalt machen, daß ihnen auch mit Geld und anderen Notwendigkeiten, deren sie zur Fortsetzung ihres Vorhabens bedürfen werden, soviel als möglich, beigestanden und an die Hand gegangen werden soll. […] Zitiert nach: www.hugenottenmuseum.de/hugenotten/edikte/04-a-ediktpotsdam-1685.pdf (Zugriff vom 01. 06. 2016) Arbeitsaufträge für alle Materialien: 1. Arbeiten Sie die Pushund die Pull-Faktoren für die Flucht der Hugenotten heraus. Ziehen Sie dafür auch den Darstellungstext heran. 2. Stellen Sie die Faktoren dar, die zur Integration der Hugenotten geführt haben. 3. Beurteilen Sie die wirtschaftliche wie gesellschaftliche Wirkung der Immigration der französischstämmigen Flüchtlinge. 4. Suchen Sie Parallelen zwischen der heutigen und damaligen Diskussion zu Flüchtlingsbewegungen. 5 10 15 20 25 30 5 10 15 20 25 30 35 77Franzosen in Preußen – Hugenotten N zu P rü fzw ck en Ei ge nt um d es C .C .B uc h er V er la gs | |
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