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M6 Die „Globalisierung“ der Nutzpfl anzen Einen vernachlässigten Aspekt des Welthandels der Frühen Neuzeit erläutert der Historiker Reinhard Wendt: Im Geschäft mit asiatischen Nahrungsund Genuss mitteln waren europäische Kaufl eute nicht nur am Direkthandel interessiert, um ihre Gewinnspannen zu vergrößern, sondern auch an der Eigenerzeugung, wenn es denn ihre technischen und natur räumlichen Möglichkeiten erlaubten. Mit Zuckerrohr taten dies die Venezianer schon im Spätmittelalter in der Levante1, und seitdem begleitete Zucker als eine Art „Leitprodukt“ viele Stadien der europäischen Expansion. Es gehörte deshalb wesentlich zur Erschließung der Neuen Welten, nach bislang unbekannten, ökonomisch attraktiven Nutzpfl anzen ebenso zu suchen wie nach Möglichkeiten, diese in heimischen oder anderen vom Mutterland kontrollierten Regionen zu kultivieren. Die Vernetzung der Kontinente führte zu einem erstaunlich raschen botanischen Austausch zwischen klimatisch verwandten Regionen unter kolonialer Kontrolle. Die folgenden Beispiele verdeutlichen das, eine größere – aber gleichfalls unvollständige – Auswahl zeigt die Karte. […] Eine Reihe überseeischer Feldfrüchte, Gemüsearten und Obstsorten konnte auch in Europa heimisch gemacht werden: Kartoffeln oder Mais etwa, Tomaten oder verschiedene Bohnensorten, Kürbisse oder der Apfel aus China, die Apfelsine (Citrus sinensis), die portugiesische Händler in Südostasien kennengelernt hatten. Allerdings dauerte es in der Regel mindestens bis ins 18. Jahrhundert, bevor sich importierte wie akklimatisierte Ernährungsprodukte einen festen Platz in europäischen Nahrungsgewohnheiten erobern konnten. Gewürze machten Fleischgerichte bekömmlicher und abwechslungsreicher. Soziokulturelle und -ökonomische Veränderungen – Reformation, Aufklärung, Industrialisierung – begünstigten die Verbreitung der stimulierenden „Muntermacher“ Kaffee, Tee und Kakao. Die Kalorien, die die Kartoffel lieferte, sicherten die Ernährung für eine wachsende Zahl von Menschen, die ihr Auskommen nicht mehr in der Landwirtschaft fanden. Die Gefahr von Hungerkrisen sank. Bevölkerungsvermehrung, Verbreitung der Kartoffel sowie gewerbliche und indus trielle Entwicklung waren Prozesse, die parallel ver liefen und sich gegenseitig bedingten. Reinhard Wendt, Seit 1492: Begegnung der Kulturen, in: Anette Völker-Rasor (Hrsg.), Frühe Neuzeit, München 2000, S. 69 86, hier S. 84 1. Beschreiben Sie den Austausch der Pfl anzen. 2. Erläutern Sie die Bedeutung des Austausches für den Anbau, die Nahrungsmittelversorgung und die Ernährungsgewohnheiten in Europa. 3. Diskutieren Sie, ob in Bezug auf die europäische Expansion von „Globalisierung“ gesprochen werden kann. 1 Levante: Gebiet zwischen Mittelmeerküste und Jordangraben 5 10 15 20 25 30 35 Ananas · Avocado · Kartoffel · Kautschu k · Ma is · Pap rika · S üßk art offe ln · T ab ak · Va nil le Apfelsin e Ana nas · Av oca do · Kak ao · Ma niok · Va nille Ban ane · Ge wür ze · Kaffe e · Te e Ölp alm e Ölbaum · Weinstock · Zitrusfrüchte Avo cad o · Bo hne n · Erd bee re (l angs tielig e) Ban ane · D attelp alme · Gewürze · Kaffee · Mango · Zucker i Interkontinentaler Pfl anzenaustausch. 89Europa in der Welt – Kolonialismus N r z u Pr üf zw ec ke n ge nt um d es C .C Bu ch ne r V er la gs | |
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