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um den Körper Christi intensiviert die Spannung auf das Geschehen der Kreuzabnahme. Die scharfe, bühnenartige Ausleuchtung steigert die Dramatik und lenkt den Blick des Betrachters auf die wesentlichen Dinge. Der Kontrast zwischen dem leuchtend weißen Tuch und dem drohend schwarzen Hintergrund unterstreicht die beklemmende Stimmung. Der Ausdruck von Trauer in den Gesichtern ist im Vergleich zur aufgeregten Stimmung im Fresko erhabener und stiller und in all ihren Schattierungen spürbar: ungläubiges Schweigen, Besorgnis, Verzweifl ung, Erschöpfung, Mitleid. Durch die emotional bewegende Darstellung regte Rubens Altarbild den zeitgenössischen Betrachter zum andächtigen Sichhineinversenken in das Leiden Christi an. Damit entsprach der Künstler dem Bestreben der Gegenreformation, Kunst als Mittel der religiösen Unterweisung der breiten Masse zu nutzen. Intellektuelle Kunst Rubens’ Malerei befriedigte jedoch auch die Ansprüche der Gelehrten und Kunstkenner. Fast mustergültig setzte er zentrale Forderungen der Kunsttheorie um, indem er sein möglichst vielfältiges Personal (Alte, Junge, Kräftige, Zierliche, Hässliche, Schöne) in immer wieder neuen Posen darstellte. Trotz der fast naturalistischen* Wiedergabe von Leiden und Trauer, von Haut und Stoffl ichkeit, besitzt die Kreuzabnahme einen hohen Grad an Eleganz: Die Emotionen wirken überzeugend, aber nicht übertrieben oder unkontrolliert. Die Einheit des Bildes bleibt gewahrt. Die Bewegungen der Figuren sind ausgewogen und fein austariert: Auf das Vorbeugen der Maria reagiert der Rückschwung des Johannes, die heftigen Drehungen der beiden mittleren Gestalten auf den Leitern sind genau aufeinander abgestimmt. Auch die gleichmäßig über die Bildfl äche verteilten, leuchtenden Grundfarben halten trotz aller Dramatik die Komposition im Gleichgewicht und unterstreichen die Würde des Themas. Dies alles sind Qualitäten, die der Kunstkenner zu schätzen wusste. Schließlich wird nur der gebildete Betrachter gemerkt haben, dass die Christusfi gur die antike Skulpturengruppe des Laokoon (s. S. 43, Abb. 2) zitiert, die von Gelehrten als idealtypische Verkörperung des Leidens geschätzt wurde. Rubens als Maler Rubens stellte ähnlich wie Bernini (s. S. 136 f.) den Typ des weltmännischen Malers dar. Anders als der jüngere Rem brandt (s. S. 146 ff.) war er in der Welt herumgekommen, hatte sich als Diplomat und Geheimagent im Dienst der spanischen Krone bewährt und leitete erfolgreich ein gewaltiges Wirtschaftsunternehmen in seinem Wohnort Antwerpen: ein Maleratelier, das mit zahlreichen Schülern und Aufträgen aus aller Welt zu den größten seiner Zeit gehört haben dürfte. Rubens ließ seine Bilder systematisch als Druckgrafi ken reproduzieren, engagierte für die Darstellung von Landschaft, Tieren und Blumen spezielle Maler: Auf diese Weise steigerte er die Produktion der Ware Kunst. Schließlich wurde er in den Adelsstand erhoben. Peter Paul Rubens: eine barocke* Bilderbuchkarriere. 1.1 Skizzieren Sie kurz das Gemälde von Rubens (Abb. 1, 2) und analysieren Sie anschließend zeichnerisch die Hell-Dunkel-Verteilung, indem Sie die dunkleren Partien entsprechend dichter schraffi eren. 1.2 Kommentieren Sie anschließend Ihre Skizze und benennen Sie die Wirkung der besonderen Lichtführung. 2 Beschreiben Sie die Szenen auf den Flügeln der Seitentafeln (Abb. 2) und setzen Sie sie in Bezug zur Mitteltafel. Analysieren Sie die künstlerischen Mittel der Verknüpfung. 3 Erläutern Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Darstellung des gemalten Christus in Rubens’ Kreuzabnahme (Abb. 1) und der Skulptur des Laokoon (S. 43, Abb. 2). 4 Entwerfen Sie eine eigene Komposition zum Thema des leidenden oder toten Christus am Kreuz. N u r zu P rü fz w e c k e n E i n tu m e s C .C .B u c h n e r V e rl a g s | |
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