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Zahllose Gerüchte ranken sich um Rembrandts Nachtwache. Eines von ihnen hat sich lange gehalten: Das Gemälde sei abgelehnt worden, weil es nicht den Erwartungen der Bürger entsprochen habe. Rembrandts Auftragslage habe sich deshalb drastisch verschlechtert und die Nachtwache sei der Anfang seines fi nanziellen Ruins gewesen. Auch wenn dieses Gemunkel längst verstummt ist, etwas ist dran an dem Gerücht: Rembrandt hat tatsächlich nicht das gemalt, was man sich von einem Gruppenporträt erhoffte. Dennoch wurde das Gemälde im Festsaal des Schützenhauses aufgehängt, zusammen mit den anderen Schützenstücken, und behauptete dort seinen Platz, bis man es Anfang des 18. Jahrhunderts entfernte. Porträt als Ereignis Was erwarteten die Auftraggeber des 17. Jahrhunderts von einem Porträt ihrer Gruppe? Tatsächlich sollte der gemeinschaftliche Zusammenhang ebenso zum Ausdruck kommen wie das Individuelle jedes Mitglieds. Was noch im 16. Jahrhundert als gleichförmige Aneinanderreihung uniformierter Figuren aussah, bekam im 17. Jahrhundert erstmals einen szenischen Zug: In dem Schützenstück von Thomas de Keyser (ca. 1596 1667) treten aus der Bildmitte der Hauptmann, sein Leutnant und der Fahnenträger heraus (Abb. 2). Sie sind größer als alle anderen, stehen freier, weiter vorn und nehmen in Gestik und Mimik Kontakt zum Betrachter auf: ein wichtiges Merkmal niederländischer Porträtkunst. Zu ihren Seiten schließen sich die anderen Mitglieder dem Aufmarsch an. Sie erscheinen perspektivisch verkleinert im Hintergrund. Mit dieser Figurenstaffelung geriet das Bild in Bewegung und gewann Leben. Dies alles ging jedoch auf Kosten der gleichberechtigten Wiedergabe der einzelnen Porträts. Was de Keyser anfi ng, führte Rembrandt einen großen Schritt weiter: In seinem Gruppenporträt wimmelt es von Figuren, die zu beschäftigt sind, um sich dem Betrachter von ihrer besten Seite zu zeigen. Die Männer folgen dem Aufruf des Hauptmanns und rüsten sich zum Kampf: Man lädt das Gewehr, zückt die Stangen und Lanzen, hisst die Flagge und schlägt die Trommel. Dabei nahm Rembrandt keine Rücksicht darauf, ob das Gesicht jedes Einzelnen angemessen zum Ausdruck kam. Einige zeigen sich nur im Profi l, andere verschwinden im Getüm2 Thomas de Keyser: Kompanie von Hauptmann Allaert Cloeck und Leutnant Lucas Jacobsz. Rotgans, 1632 Öl auf Leinwand, 220 x 351 cm, Rijksmuseum, Amsterdam N u r zu P rü fz w e c k e n E ig e n tu d e s C .C .B u c h n e r V e rl a g s | |
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