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Die in altmeisterlicher Manier so sorgfältig und gekonnt ausgeführte Malerei verleiht dem Bild trotz der zur Schau gestellten derben Körperlichkeit eine gewisse Würde. Der brutale Realismus der inszenierten Fleischlichkeit verneint überdeutlich das schlanke Körperideal unserer Zeit und huldigt der üppigen Weiblichkeit, dem Ideal vergangener Zeiten. Das Gemälde gilt heute als eine Ikone* der Aktmalerei. Es wurde 2008 im renommierten Auktionshaus Christie’s in New York für 33,6 Millionen Dollar (ca. 24,9 Millionen Euro) an einen russischen Milliardär versteigert. Einen höheren Betrag hatte bis dahin kein anderes Werk eines lebenden Künstlers erzielt. Verfall der körperlichen Existenz Der 1922 in Berlin geborene Lucian Freud, der 1933 mit seinen Eltern nach England emi grierte, war ein Enkel von Sigmund Freud (1856 1939), dem Begründer der Psychoanalyse. Das Sofa, auf dem er Tilley malte, kann somit als Anspielung auf die Chaiselongue des berühmten Großvaters betrachtet werden, auf der dieser die Seele seiner Patienten ergründete. Lucian Freud zählt heute zu den ausdrucksstärksten Malern des 20. Jahrhunderts. Als hochbegabter künstlerischer Autodidakt lernte er in jungen Jahren noch Pablo Picasso (s. S. 216 f.) kennen. Sein Hauptinteresse galt aber schon bald den Alten Meistern, besonders den Barockmalern*. Beschäftigten sich seine Künstlerkollegen überwiegend mit Abstraktion* und Farbfeldmalerei (s. S. 234 ff), modellierte er wie ein Bildhauer die nackten Leiber seiner Modelle auf die Leinwand. Die gemalten fl eischlichen Exzesse Lucian Freuds stellen jedoch keine genussvollen Feiern der Lust dar, wie es etwa beim berühmten Barockmaler Peter Paul Rubens (s. S. 142 ff.) der Fall war. Freuds Körperdarstellungen deuten vielmehr auf den Verfall und die Vergänglichkeit der mensch lichen Existenz hin. Freuds Selbstporträts Neben den exhibitionistischen Aktbildern wurde Freud auch mit seinen Kopfporträts und Selbstporträts (Abb. 2) berühmt. In diesen zeigte er einen rigorosen Realismus, um „der Wahrheit und dem Wesen des Menschen näherzukommen“, wie er betonte. Damit er jedes Detail der entblößten Körper sehen und ihre Individu alität erfassen konnte, positionierte er seine Modelle und sich im Atelier stets unter grellem Oberlicht. Sein eigenes Porträt aus dem Jahre 1985 zeigt, dass er auch mit sich selbst nicht milder umging. Das beinahe frontal ausgerichtet Brustporträt mit nacktem Oberkörper vor neutra2 Lucian Freud: Refl exion – Selbstporträt, 1985 Öl auf Leinwand, 51 x 56 cm, Private Collection, Ireland © The Lucian Freud Archive N u r zu P rü fz w e c k e n E i n u m d e s C .C .B u c h n e r V e rl a g s | |
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