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2 Bildnis des Vespasian, 69-79 Marmor, Höhe ca. 40 cm, Ny Carlsberg Glyptotek, Kopenhagen Respekt, Alter! Es gab Gesellschaften, in denen das Alter, anders als bei uns, einen höheren Stellenwert besaß als Jugend und Schönheit. Dazu gehör te auch jene Epoche, in der dieses Werk ent stand, die späte Römische Republik (133 27 v. Chr). Rom hatte zu diesem Zeitpunkt fast den gesamten Mittelmeerraum unter seine Kontrolle gebracht; die Männer, denen solche Porträts aufgestellt wurden, waren de facto die Herren der Welt. Sie begründeten ihre Macht mit einer bestimmten Ideologie. In den Augen der konservativen Senatoren waren es ihre bäuerlichen Vorfahren, die Rom zur Weltmacht werden ließen, genauer gesagt die Normen und Werte, die sie mit diesen Vorfahren verbanden. Die Lebensweise des „echten Römers“ war ihrer Meinung nach von großer Strenge (severitas) geprägt: Einfachheit, Sparsamkeit, harte Arbeit, anständiges Verhalten gegenüber den Göttern, der Familie und dem Staat. All diese Werte zeigten sich in jenem politischen Gremium, in dem sich die Oberhäupter der mächtigsten Clans versammelten und den Staat lenkten: dem Senat. Das lateinische Wort „senatus“ aber kommt von „senex“ – und das bedeutet Greis. Respekt vor dem Alter war eine der grundlegenden ethischen Richtlinien, Respekt vor dem Familienoberhaupt, Respekt vor den alten Senatoren und Militärs. Im Greis verbanden sich Lebenserfahrung, Weisheit, Selbstbeherrschung und familiäre Macht. Nur wer ein bestimmtes Alter erreicht hatte, konnte die höchsten Beamtenposten erhalten, und der Vorsitzende des Senats war zugleich immer dessen ältestes Mitglied. Individualität und Altersformeln Vor diesem historischen Hintergrund wird klar, warum der Auftraggeber kein polykletisches (s. S. 28 f.), sondern das Gesicht eines Alten wollte. Früher nannte man derartige Porträts „realistisch“ oder „veristisch“; das aber ist falsch. Ein römischer Bürger wollte weder „realistisch“ erscheinen, noch sollte sein Bildnis der Wirklichkeit möglichst nahe sein. Das Porträt sollte schlichtweg jene Werte repräsentieren, die in seiner Gesellschaft am meisten galten, moralische Strenge und erfahrenes Alter. Obwohl die Porträts der Republik (im Gegensatz zum klassischen Porträt) sehr individuell sind: Die Bildhauer bedienten sich aus einem relativ kleinen Sortiment an immer gleichen Bausteinen, aus denen sie ihre Gesichter zusammensetzten – Falten, Warzen, eingefallene Wangen. Diese Formeln vermittelten eine ganz klare BotN u r zu P rü fz w e c k e n E ig e n tu m d e s C .C .B u c h n e r V e rl a g s | |
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