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7Die Philosophie der Stoa Das Weltverständnis der Stoa Die Welt ist ein Kosmos, also eine schöne Welt, die zweckmäßig und wohlwollend in Harmonie geordnet ist. Dieser Welt immanent ist eine göttliche Macht, eine Urkraft, ein Prinzip, das alles bestimmt und ordnet. Das Gottesbild der Stoa ist also pantheistisch und impersonal. Diese göttliche Kraft erhält verschiedene Namen, je nachdem, welcher Gesichtspunkt besonders betont werden soll: • fatum*: die bestimmende Macht, die alles, was geschieht, nach einem unabänderlichen Gesetz festlegt: Alle Ereignisse sind notwendig durch diese Macht, das Schicksal ist dementsprechend unabänderlich; • deus / rector: die lenkende Macht, die alles wohlwollend und gütig steuert. (Gelegentlich wird diese Macht auch personal als Zeus / Jupiter angesprochen; daneben wird aber auch entsprechend dem Polytheismus manchmal von „Göttern“ gesprochen.); • ratio (griech.: Logos): Weltvernunft, die alles ordnet und zweckmäßig gestaltet; • spiritus: die belebende, beseelende Kraft. Makrokosmos und Mikrokosmos Dieses göttliche Prinzip durchwaltet den gesamten Kosmos, sodass er ordentlich und vernunftgemäß gestaltet ist. Der einzelne Mensch ist ein Abbild dieses Kosmos, er stellt gleichsam einen Mikrokosmos dar, wenn er sein Leben durch die Vernunft lenkt und gestaltet, wenn die ratio in ihm – wie in der Welt – die ordnende Macht ist. In der Lehre der Stoa ist der Mensch ein animal rationale, ein „vernunftbegabtes Wesen“: Die Vernunft ist die besondere Eigenschaft des Menschen, sein proprium. Das Menschenbild der Stoa Wie auch andere Philosophenschulen (z. B. die Epikureer) stellten sich die Stoiker die Frage: „Wie kann der Mensch glücklich werden oder glücklich leben (beate vivere)?“ Die wichtigste Maxime als Antwort auf diese Frage, das höchste Gut, ist es, gemäß der Natur bzw. im Einklang mit der Natur zu leben (secundum naturam vivere). Eine solche Haltung entspricht dem ethisch Guten, dem honestum, und der stoische Weise (sapiens) ist dazu in der Lage, sein Leben so zu führen: Er kann mithilfe seiner Vernunft einsehen, dass auch in der Welt alles vernunftgemäß und geordnet geschieht, und demzufolge sein Schicksal als unabänderlich annehmen, und zwar bereitwillig, ohne sich von Affekten beeinlussen zu lassen. Zu diesen gehören z. B. Schmerz, Mitleid, Neid, Eifersucht, Furcht, Begierde, Hass, Liebe, Zorn, Vergnügungssucht. Sie sind eine unvernünftige, maßlose Regung der Seele und laufen der Natur zuwider. Daher müssen sie als Laster oder Fehler (vitium) erkannt und überwunden werden. Der stoische Weise ist also unerschütterlich (immotus) und bewahrt stets seine Gemütsruhe, was auch immer passiert. Die Plichtenlehre Da den hohen Anforderungen des Menschenbildes der Stoa viele nicht gewachsen sind, haben die Stoiker zusätzlich eine zweite, praktisch an die Wirklichkeit angepasste Moral entwickelt, in der dargelegt wird, was angemessen ist. Die Plichten (officia) umfassen konkrete Lebensregeln, z. B. soll man für seine Freunde sorgen, sich für den Staat engagieren oder statt der absoluten Weisheit Klugheit und vernünftiges Überlegen üben. * Sofern sie nicht zum Grundwortschatz gehören, inden Sie die hier genannten zentralen Begriffe der stoischen Philosophie im Lernwortschatz (→ S. 51). Auf diese Vokabeln wird im Ad-lineam-Kommentar nicht mehr verwiesen. Nu r z u Pr üf zw ck en Ei ge nt um d s C .C . B uc hn r V er la gs | |
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