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1.1 Die Darstellung der Germanen aus römischer Perspektive

Hinweise zur Kompetenzorientierung

In diesem Kapitel können folgende Kompetenzen erworben werden (die Angaben in Klammern verweisen auf den Schülerband):
Sachkompetenz
Die Schülerinnen und Schüler …
  • erklären den Konstruktcharakter von Bezeichnungen wie „der Germane“, „der Römer“, und „der Barbar“ und die damit einhergehende Zuschreibung normativer Art (siehe u.a. S. 12f.; S. 14f./M1 und M3; S. 23/M4; S. 102);
  • erläutern die Haltung der Römer gegenüber Fremden und den Wandel des Barbarenbildes im Laufe der römischen Geschichte (siehe u.a. S. 16f.; S. 19-23/M1-M3; S. 24f., S. 26f./M1 und M3; S. 29/M5; S. 102).
 
Methodenkompetenz
Die Schülerinnen und Schüler …
  • stellen grundsätzliche Zusammenhänge aufgabenbezogen geordnet und strukturiert dar und präsentieren diese unter Nutzung elektronischer Datenverarbeitungssysteme (siehe u.a. S. 15/M3, Aufg. 4; S. 31/M1 und M2, Aufg. 1);
  • identifizieren Verstehensprobleme und führen die notwendigen Klärungen herbei (siehe u.a. S. 21f./M3; S. 26/M1);
  • erläutern den Unterschied zwischen Quellen und Darstellungen, vergleichen die aus ihnen entnommenen Informationen miteinander und stellen Bezüge her (siehe u.a. S. 23/M4, Aufg. 1 und 2).
 
Urteilskompetenz
Die Schülerinnen und Schüler …
  • beurteilen die Darstellung der Germanen in römischer Sicht vor dem Hintergrund des eigenen Selbstverständnisses und der Wahrnehmung des „Fremden“ (siehe u.a. S. 14/M1; S. 19f./M1, M2 und M3; S. 26f./M1 und M3; S. 28f./M4);
  • entwickeln Thesen, wie die römische Charakterisierung der Hunnen zu erklären ist (siehe S. 26/M1);
  • vergleichen diese mit spätantiken christlichen Vorstellungen über die Hunnen und beurteilen letztere in Bezug auf ihre Angemessenheit (siehe S. 26/M1; Aufg. 2 und 3);
  • setzten sich kritisch mit dem Begriff „Völkerwanderung“ auseinander und kommen zu einer begründeten Einschätzung darüber, ob die Völkerwanderung als historischer Mythos zu bewerten ist (siehe S. 30f./M1 und M2 sowie Kartenmaterial).
  
Handlungskompetenz
Die Schülerinnen und Schüler …
  • stellen innerhalb der Lerngruppe ihre Vorstellungen vom Verhältnis der eigenen Person und Gruppe zur historischen Welt und ihren Menschen dar (siehe S. 14/M1, Aufg. 4);
  • entwickeln Ansätze für Handlungsoptionen für die Gegenwart unter Beachtung der Rolle von historischen Erfahrungen in gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen, indem sie in Darstellungen entworfene Bilder der Rolle der Fremden im antiken Rom mit gegenwärtigen Vorstellungen im Zusammenhang mit Migration vergleichen (siehe u.a. S. 15/M3; S. 27/M3, Aufg. 4).

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Seite 10
Abbildung: Handel zwischen Germanen und Römern.

Zusatzaufgabe:
Rekonstruktionszeichnung von Ute Thönissen, 2002.
 Beschreiben Sie das Geschehen auf dem Bild. Was erfahren Sie daraus über den Handel?
Die Germanen bieten Felle (unter anderem von Füchsen) und Schweine an, die Römer Wein (in Amphoren und Fässern). Die Römer sind mit Sandalen und toga-ähnlichen Umhängen gekleidet. Sie haben offenkundig Geld oder Edelmetall in den Händen. Die Germanen tragen anderes Schuhwerk und andere Umhänge. Im Hintergrund stehen auf einem Boot behelmte und uniformierte römische Soldaten.
Das Bild ist als Quelle ungeeignet, weil es von 2002 stammt und nur zeigt, wie Ute Thönissen sich den Handel vorstellte. Wir wissen allerdings, dass die Handelsgüter (Felle, Fleisch, Wein) und Handelswege (Flüsse), die hier dargestellt werden, von zentraler Bedeutung waren.
Der Handel – ein wichtiger Aspekt der „Romanisierung“ in der Kaiserzeit
Seit dem späten 19. Jahrhundert wird der Begriff „Romanisierung“ verwendet, um den kulturellen, religiösen, politischen und wirtschaftlichen Einfluss Roms in einem großen Teil Europas und der Welt des Mittelmeeres zu beschreiben. Zeitlich bezieht sich der Begriff in der Regel auf die sogenannte Kaiserzeit, also etwa die Jahre von 27 v. Chr. bis 284 n. Chr. In dieser antiken Epoche erreichte die römische Herrschaft ihren Höhepunkt, sowohl hinsichtlich ihrer geografischen Ausdehnung als auch hinsichtlich ihres kulturellen Einflusses. Romanisierungsprozesse fanden dabei nicht nur in West- und Mitteleuropa, sondern auch in Teilen Osteuropas, Kleinasiens, des Nahen Ostens und Nordafrikas statt. Die Grenzen der Romanisierung ergaben sich nicht allein aus den politischen Grenzen des Römischen Reiches. Wie stark der Einfluss Roms war, hing auch von den einheimischen Kulturen und deren Verhältnis zu Rom ab.
Der Begriff „Romanisierung“ ist in jüngster Zeit kritisiert worden, weil er dahingehend verstanden werden kann, dass den von Rom eroberten Bevölkerungen eine bestimmte Kultur aufgezwungen worden sei. Tatsächlich handelte es sich aber eher um die Vermischung zahlreicher Kulturen. Rom übernahm Praktiken, Erkenntnisse und Verfahren von den Eroberten und von diesen wurde wiederum vieles aus Rom übernommen. Die Eroberungen veränderten also nicht nur die eingenommenen Gebiete, sondern auch Rom. Ferner waren in den eroberten Territorien gerade die Eliten häufig darauf bedacht, möglichst römisch zu leben.
Die relative politische Stabilität während der Kaiserzeit schuf gute Voraussetzungen für die Wirtschaftsentwicklung im Römischen Reich. Der überwiegende Teil der Bevölkerung war in der Landwirtschaft beschäftigt und von ihr hing das Wohlergehen des Reiches maßgeblich ab. Die Blüte der Städte basierte größtenteils auf der Tatsache, dass das jeweilige Umland ausreichend Lebensmittel produzierte, um die Stadtbewohner zu ernähren. Die pax Romana (dt.: römischer Frieden) half der Landwirtschaft dadurch, dass sie den Handel über weite Entfernungen begünstigte. So wurde aus Sizilien und Nordafrika Getreide auf die Italische Halbinsel exportiert, während von der Iberischen Halbinsel Olivenöl in viele Regionen des Reiches gelangte. Begünstigt wurde der Handel nicht nur durch die langen Friedenszeiten im Reich sowie die Eindämmung von Piraterie und Bandenwesen, sondern auch durch Straßenbau und Münzprägungen.
Rom baute in fast allen Provinzen Straßen, die als Kommunikationsnetze innerhalb und zwischen den Provinzen dienten. Das römische Münzwesen stellte schließlich über Jahrhunderte sicher, dass Handel auf Geldbasis getrieben werden konnte. Das Römische Reich war jedoch kein einheitlicher Wirtschaftsraum. Dazu war die Bedeutung der Subsistenzwirtschaft (Selbstversorgung) und der rein lokalen Märkte, nicht zuletzt wegen der sehr hohen Transportkosten, zu groß.
Allerdings ermöglichte es das Imperium Romanum, dass regionaler Handel und Fernhandel in einem Umfang betrieben werden konnten, wie dies vorher nicht möglich war. Dies führte dazu, dass der Handel sich romanisierte. Denn er beruhte auf römischen Münzen und häufig auch auf römischem Recht und römischer Sprache.
Verfassertext
Thomas Brock, Alles Mythos! 20 populäre Irrtümer über die Germanen, Darmstadt 2014
Hans-Werner Goetz und Karl-Wilhelm Welwei (Hrsg. und Übers.), Altes Germanien: Auszüge aus den antiken Quellen über die Germanen und ihre Beziehungen zum Römischen Reich. Quellen der alten Geschichte bis zum Jahre 238 n. Chr., mit aktualisierter Literatur von Hans-Werner Goetz, Darmstadt ²2013
Herwig Wolfram, Die 101 wichtigsten Fragen – Germanen, München 2008

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