Seite 12-15
1.1.1 Was ist ein Barbar? Formen und Funktionen antiker Fremdenbilder

Seite 14
M1 Antike Erklärungen für Unterschiede zwischen Römern und Barbaren

1.Geben Sie die antiken Vorstellungen über die Hintergründe für die unterschiedlichen Zivilisationen der Barbaren und der Römer wieder.
Antiken Autoren zufolge leben Barbaren im Süden und im Norden Roms. Die klimatischen Bedingungen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit) hätten dabei zentralen Einfluss auf die Typen von Barbaren: Hohe Luftfeuchtigkeit aufgrund geringer Wärme in den nördlich des römischen Imperiums liegenden Gebieten führe zu großen, massigen Menschen mit weißer Hautfarbe und roten Haaren, die zwar stark und kampftüchtig, aber auch geistig dumpf und wenig intelligent seien. In den südlich des Reiches liegenden Gebieten hingegen sind den antiken Autoren zufolge die Menschen wegen der höheren Temperaturen und der geringeren Luftfeuchtigkeit intelligenter und lebhafter, allerdings auch ängstlicher und weniger kampftüchtig, außerdem von kleiner Statur mit dunkler Haut und krausem Haar. Die Römer als Bewohner der Mitte zwischen den Klimaextremen seien eine Mischung aus beidem, ausgestattet sowohl mit hohen körperlichen Kräften als auch mit hoher Intelligenz.
2.Der Autor des Textes spricht von einer „protorassistischen“ Vorstellung der antiken Autoren. Erläutern Sie die These und nehmen Sie dazu begründet Stellung.
Rassistische Vorstellungen argumentieren biologistisch: Eigenschaften und Fähigkeiten werden mit pseudowissenschaftlichen Begründungen als biologisch determiniert verstanden, also als unveränderlich. Ein zentrales Element rassistischen Denkens ist die Vorstellung von der Ungleichheit zwischen unterschiedlichen Bevölkerungen, die zu Hierarchien geformt werden, die Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung rechtfertigen können. Die Klimatheorie verweist auf vorgeblich unveränderliche Merkmale der Barbaren und der Römer, die zu unterschiedlichen zivilisatorischen Niveaus geführt hätten.
3.Setzen Sie sich kritisch mit der sogenannten „Klimatheorie“ auseinander.
Für die antiken Autoren verbindet sich mit der Vorstellung von nicht-veränderlichen, aus den jeweiligen klimatischen Bedingungen hervorgegangenen Unterschieden zwischen Römern sowie den Barbaren des Nordens und des Südens die Vorstellung von einer zivilisatorischen Hierarchie, die den Herrschaftsanspruch der Römer legitimierte. Nur sie seien vor dem Hintergrund einer Verbindung von überlegener Geistes- und Kampfkraft in der Lage, staatliche Strukturen aufzubauen, kulturelle sowie militärische Leistungen zu erbringen, die ihnen dauerhaft die Weltherrschaft sichern würden. Gefährlich sei die Vermischung mit den Barbaren.
4.Deutschland heißt noch heute in anderen Sprachen „Germany“ oder „Germania“. Arbeiten Sie mit einem Partner zusammen und zeichnen Sie die Silhouette eines/einer Deutschen auf ein Plakat. Vermerken Sie körperliche Eigenschaften und charakteristische Merkmale, die Sie als „typisch Deutsch“ empfinden. Vergleichen Sie anschließend mit den antiken Vorstellungen über die Germanen, die im Kapitel genannt werden.
Abhängig von der Bearbeitung durch die Schülerinnen und Schüler.
Im Text genannte Eigenschaften und Merkmale der Barbaren im Norden: groß, stark, massig, weiß, rothaarig, kampfstark und kampfeslustig, nicht ängstlich, dumpf, wenig intelligent, träge.

Zum Seitenanfang

Seite 14
M2 Rom als Weltstadt

1.Arbeiten Sie heraus, welche Anziehungskraft Rom für Zuwanderer hatte.
Rom hat Seneca zufolge eine hohe wirtschaftliche, politische und kulturelle Anziehungskraft: Die Stadt vereint die Funktion eines Wirtschafts- und Handelszentrums, das Reichtum fördert, mit der Funktion einer Hauptstadt, die politische Karrieren ermöglicht. Rom ist außerdem zugleich eine Metropole der Bildung, des Luxus, der Kunst und des Genusses.
2.Erläutern Sie das dargestellte Selbstbild Roms.
Rom wird dargestellt als Weltstadt, deren unvergleichlicher Glanz in die gesamte Welt ausstrahlt. Es hat damit eine hohe Anziehungskraft für all jene Menschen, die nach Besserem und Höherem streben. Die Metropole Rom verlangt ihren Bewohnern allerdings auch sehr viel ab, wie Seneca verdeutlicht. Das Scheitern in der Konkurrenz mit anderen Menschen, die nach oben streben, ist nicht selten.
3.Verfassen Sie aus Sicht eines Zugewanderten einen Brief an Seneca, in dem Sie Ihren Entschluss erörtern.
Abhängig von der Bearbeitung durch die Schülerinnen und Schüler.
Elemente könnten sein: Keine Stadt ist derart bekannt wie Rom, das als Zentrum der Welt verstanden wird und ein pulsierendes Leben als globale Metropole verspricht. Rom bietet Bildung, Arbeit, Reichtum, Kultur, Luxus und Macht, wenn man sich als konkurrenzfähig erweist.
Das antike Rom. Führer durch Geschichte und Kultur von Georges Hacquard, Übertragung aus dem Französischen und Bearbeitung: Helmut Schareika, Bamberg 2002

Zum Seitenanfang

Seite 15
M3 „Das Gespenst vom Niedergang des Reiches“

1.Erläutern Sie die Funktion der Erklärung für den Zerfall des Römischen Reiches, die Fontana referiert, für die Gegenwart. Sind die „Geschichtswissenschaftler“ bei dieser Erklärung nicht mehr „objektiv“?
Bis heute wird der Niedergang und Zerfall des Römischen Reiches häufig als Ergebnis eines schließlich überlegenen Ansturms von außen auf die Grenzen des Reiches verstanden. Rom wurde dieser Interpretation zufolge also von Barbaren überrannt, die hochentwickelte Zivilisation im römischen Imperium zerstört. Verantwortlich gemacht werden mithin Kräfte und Mächte von außen; Schwächen, Versäumnisse, mangelnde Reformfähigkeit und Veränderungswille im Innern spielen demgegenüber keine oder keine große Rolle.
Fontana kritisiert mit diesem Rückgriff auf die Ereignisse um den „Untergang“ Roms, dass Intellektuelle (gemeint sind wohl Historiker) und Politiker die Mär vom „Barbarensturm“ heute gleichsam als Metapher verwenden, um Wanderungsbewegungen der Neuzeit (Flüchtlingsströme, Migranten usw.) zu dramatisieren und zu instrumentalisieren. Nicht der Ansturm von außen, sondern die damals auch schon in Rom problematischen Verhältnisse im Innern (ungleiche Vermögensverteilung, Beschneidung der persönlichen Freiheit, Bevorzugung der Privatinteressen auf Kosten der Allgemeinheit usw.), bringen auch heute noch Staaten und Gesellschaften ins Wanken – dies zuzugeben oder sich zu bemühen, etwas an den Verhältnissen zu ändern, sei jedoch weitaus schwieriger als einfach die – bequeme – Erzählung einer Bedrohung von außen zu formulieren. Ohne die „Barbaren“ fehlt den Intellektuellen eine Begründung für den Untergang Roms, weil sie es versäumen, auch auf die politische Praxis im Innern des Imperiums zu schauen – gleichsam käme Politikern (aus dem rechtspopulistischen Lager) und ganzen Parteien heute die Hälfte ihres Parteiprogramms abhanden, fiele der Flüchtlingsstrom nach Europa (aus Afrika und dem Nahen Osten) von heute auf morgen aus (man denke dabei nur an den „Front National“ in Frankreich, die FPÖ in Österreich oder UKIP, United Kingdom Independence Party, in Großbritannien).
„Objektiv“ ist Geschichtswissenschaft ohnehin nie, sie blickt auf die Vergangenheit aus der Position der Gegenwart und ist nie frei von aktuellen Vorstellungen und Sichtweisen, die sie auf die Vergangenheit überträgt.
2.Beurteilen Sie Fontanas Behauptung, dass die Gründe für den Untergang Roms „unbequeme Vergleiche mit anderen Situationen unserer Gegenwart“ aufwerfen.
Fontana versteht den Untergang Roms primär als Ergebnis eines gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zerfalls des Imperiums, dessen Eliten sich nicht mehr als politisch potent, vielmehr als reformunfähig und reformunwillig erwiesen haben. Die Bezüge zur Gegenwart sollen deutlich werden lassen, dass die häufige Betonung von äußeren Zwängen und Bedrohungen ablenkt von inneren Schwächen und dem Unwillen, sich mit den Problemen des eigenen politischen und gesellschaftlichen Systems auseinanderzusetzen und Veränderungen anzustoßen.
3.Setzen Sie sich kritisch mit der hier skizzierten politischen Rolle der „Anderen“, der „Fremden“ auseinander.
„Der Andere“, „der Fremde“ wird häufig als Gefahr, als Bedrohung wahrgenommen, das ist auch ein Resultat einer häufig anzutreffenden politischen Instrumentalisierung: Im Sinne eines „Sündenbocks“ werden „Andere“ verantwortlich gemacht für Ereignisse und Schwierigkeiten, die Ergebnis eigener Schwäche und eigenen Fehlverhaltens sind.
4.Vergleichen Sie mit Bildern, die heute in unterschiedlichen Medien von „Fremden“ (z.B. Migranten aus Südosteuropa) gezeichnet werden. Erstellen Sie dazu eine PowerPoint-Präsentation.
Abhängig von der Bearbeitung durch die Schülerinnen und Schüler.
Elemente könnten sein: Bedrohung durch Fremde, die als amorphe, anonyme „Masse“ auftreten, deren einziges Ziel zu sein scheint, ihren Vorteil zu finden. Ängste werden erzeugt, weil „das Eigene“ gefährdet zu sein scheint, die eigene Lebenswelt, der eigene Wohlstand, kulturelle Leistungen und zivilisatorische Ansprüche. Nur restriktive Maßnahmen zur Sicherung „des Eigenen“ scheinen einen Ausweg zu bieten.

Zum Seitenanfang

Seite 15
Abbildung: „Plünderung Roms durch die Vandalen 455.“

Kolorierter Holzstich von Heinricht Leutemann, um 1865.
„Vandalismus“ – dieser Begriff hat sich seit dem 18. Jahrhundert als Synonym für blinde Zerstörungswut etabliert. Doch tut man den „Vandalen“ damit nicht Unrecht? Mit Blick auf das Gemälde von Heinrich Leutemann schreibt Christoph Müller:
Was hatten die Vandalen getan, dass ihr Name dermaßen gebrandmarkt wurde? Blenden wir zurück in die Zeit der Völkerwanderung. Im Jahr 455 lag Rom schutzlos da. Das Weströmische Reich war damals fähiger Führung beraubt, die ewige Stadt erwartete die Vandalen wie paralysiert.
Der neue Kaiser Maximus, nur wenige Wochen im Amt, wurde beim Versuch zu fliehen von den eigenen Soldaten erschlagen. Der senatorische Adel zog sich großenteils auf seine Landgüter zurück. Unbehelligt rückten die Vandalen in Rom ein, einzig von Papst Leo I. kurz aufgehalten, der ihren Anführer Geiserich bat, Leib und Leben der Einwohner sowie die Kirchen zu schonen.
Zu Massakern und Zerstörungen großen Ausmaßes kam es wohl nicht: Eine gallische Chronik versichert ausdrücklich, Rom sei „ohne Schwert und Feuer“ geplündert worden. Die Kirchen sind offenbar überhaupt nicht beraubt worden, denn ein Zeitgenosse der Geschehnisse, Prosper von Aquitanien, erwähnt in seiner Weltchronik nichts von derlei Übergriffen, wohingegen er „die Schändung der Kirchen von Karthago nach der Einnahme durch die Vandalen im Jahre 435 in grellen Farben schildert“ (L. Schmidt).
Für die vergleichsweise milde Behandlung der gedemütigten alten Hauptstadt spricht auch der Dankesgottesdienst, den Papst Leo bald darauf abhielt. Seine damalige Predigt ist uns erhalten. Wäre dies nicht höchst unangemessen gewesen, wenn um Leo herum wirklich alles in Schutt und Asche gelegen hätte?
Unschuldslämmer oder Waisenknaben waren die Vandalen freilich nicht: Volle vierzehn Tage lang plünderten sie die Stadt systematisch aus. Die Schätze des Kaiserpalastes, vom Gold bis hin zu Statuen und Bronzen, wurden ebenso in die Vandalenhauptstadt Karthago entführt wie der einst von Titus erbeutete jüdische Tempelschatz.
So ist es zwar eine gehörige Übertreibung, wenn Cassiodor, der langjährige Minister Theoderichs des Großen, in seiner Chronik gut hundert Jahre nach dem Geschehen behauptet, „durch den König Geiserich wurde Rom aller Schätze beraubt“. Doch so viel stimmt fraglos: Die Vandalen waren geschickte, skrupellose Räuber und Plünderer – wie vor und nach ihnen viele andere auch. Zerstörung um der Zerstörung willen war aber nicht ihre Sache.
Christoph Müller, Der Rufmord an den Vandalen, in: Praxis Geschichte 4/2005, S. 48f.

Zum Seitenanfang